Literatur

Hilfe zur geschmacklichen Weiterentwicklung.

Literatur

Beitragvon TreborFaust » Fr 24. Jun 2011, 20:57

Lesen, natürlich. Aber was? Und was nicht? Empfehlungen, Warungen, Kommentare.
Benutzeravatar
TreborFaust
Administrator
 
Beiträge: 200
Registriert: So 19. Jun 2011, 04:01

Re: Literatur

Beitragvon Deurich » Fr 18. Nov 2011, 16:40

du empfiehlst auf der hauptseite josh bazell! schdachte grad ich seh nich recht! na sei ma fettest gelobt dafür.
und ich möchte dasma nutzen um darauf hinzuweisen dases auch schon nen neuen bazell gibt - ganz frisch sozusagen auser druckerei: "einmal hölle und zurück". ich bin ehrlich - dem ersten kanns nich das wasser reichen. ein rundumschlag gegen amerika (sarah palin spielt mit und wird HEFTICHST durchn kakao gezogen) und für ein diffuses öko-denken. dropsdem durchaus auch wieder gut lesbar da eben bösartich und mit bazell-witz.

na und dann frag ich ma in die nich vorhandene runde: hat schon jemand den neuen moers gelesen? liest hier überhaupt jemand moers? ich tue dies ja schon sehr lange und sehr begeistert.
von daher wüsstich ma gern ob ihr nich auch findet das der neue ein gähnend langweiliges nichts ist?
Deurich
 
Beiträge: 5
Registriert: Di 25. Okt 2011, 15:30

Re: Literatur

Beitragvon Deurich » Fr 18. Nov 2011, 16:43

im übrichen:

Lesen, natürlich. Aber was? Und was nicht? Empfehlungen, Warungen, Kommentare.


finde den fehler^^
Deurich
 
Beiträge: 5
Registriert: Di 25. Okt 2011, 15:30

Bazell

Beitragvon TreborFaust » Fr 18. Nov 2011, 17:51

Ha! Woher willst du wissen, dass es nicht "Warungen" heißen soll, hm? ^^

Den Bazell wollte ich eigentlich in dieser Rubrik schon empfehlen. Und noch Kritiken zu ein paar anderen Sachen schreiben. Ich habe nämlich in der langen tiefen, dunklen, kalten, hässlichen, traurigen Literaturlinienpause praktisch alle eure Empfehlungen gelesen. Nämlich zum Beispiel

:-x--: The Act of Roger Murgatroyd (Gilbert Adair)
:-x--: Troposphäre (Scarlett Thomas)
:-x--: Die dunkle Seite des Mondes
:-x--: Meine eigene Empfehlung: Inherent Vice (Thomas Pynchon)

Außerdem
:-x--: Freaks (Joey Goebel)
:-x--: Erinnerungen an meinen Porsche (Bodo Kirchhoff)

Und eben auch den Bazell. Ich schreib noch eine Kritik zu allem (Kannst du aber zu Bazell auch machen). Ich kann nur schon mal allen Interessierten sagen: Es sind zwei Erzählstränge, beide auf unterschiedliche Art schnell (ja, das gibt's) beide extrem spannend und dabei sogar ziemlich witzig. Und, wer hätte das gedacht, die Stränge treffen sich. Das gibt dann noh ein bisschen Tempo... "Schneller als der Tod" muss man wirklich lesen. Wenn Hornby die geschichte Patrick Batemans geschrieben hätte, säh sie wohl so ähnlich aus.

Von Moers hab ich die ersten gelesen. Käptn Blaubär hat mich damals wirklich verblüfft, den hätte ich Moers nicht zugetraut, ein echtes Ideenfeuerwerk und gut geschrieben obendrein. Wieso, was gibts denn dazu sonst noch zu sagen? Würden Sie sich zu einer kleinen Kritik hinreißen lassen, Herr Deurich?
Benutzeravatar
TreborFaust
Administrator
 
Beiträge: 200
Registriert: So 19. Jun 2011, 04:01

Eine Empfehlung: „Und übrigens noch was“ von Eoin Colfer

Beitragvon TreborFaust » Fr 27. Jan 2012, 17:38

Es gibt ein paar Dinge, die einfach klar sind. Dinge, bei denen die Naturgesetze zwar vermutlich ihre Gültigkeit besitzen, jedoch nicht mit der väterlichen Strenge, mit der sie einen in der Luft verirrten Apfel zu Boden fallen lassen. Dinge, bei denen diese Naturgesetze nicht die treibende Kraft sind. Diese Kraft ist in solchen Fällen etwas Metaphysisches, eine Idee etwa, wie sie zum Beispiel Karlheinz Riedle manchmal hatte, wenn ein Ball in absolut unerreichbarer Höhe in den Strafraum flog und der Stürmer, mit 178 nicht von Natur aus dafür geschaffen, unerreichbare Bälle zu erreichen, sich in die Luft schraubte, dort eine Zeit lang verweilte, dann noch eine Zeit lang, bis er schließlich genau so hoch stieg wie nötig, um den Ball mit dem Kopf ins Netz des gegnerischen Tores zu befördern, wonach er in der Luft lediglich noch eine Weile jubelte. In solchen Fällen haben die Naturgesetze eher den Charakter eines quengelnden Bruders und geben sich mit der Anmerkung „Aber nachher kommst du dann wieder runter, ja?“ zufrieden. So ähnlich war es mit diesem Buch. Nach Douglas Adams' Tod konnte es nicht geschrieben werden. Aber es musste geschrieben werden. Also besannen sich die Naturgesetze, quengelten ein bisschen herum und sahen dann jemandem beim Schreiben neugierig über die Schulter.

Ebenso klar war vermutlich, dass ich genau im Alter von zweiundvierzig letztmalig etwas von Douglas Adams lesen durfte, auch wenn es nicht von Douglas Adams ist, aber vielleicht doch, oder wenigstens ein bisschen, wer weiß das schon. Ok, ihr merkt, wenn jemand so beginnt, dann ist das eine ähnliche Situation wie vor Barack Obama zu sitzen, der eine Rede beginnt mit „Ich will nur ein paar Worte sagen zu den Dingen, die wir erreichen können" oder wenn man versucht, ein Sparticket der Deutschen Bahn zu erwerben oder wenn man nur mal auf ein Bier ins Kraftstoff geht. Es wird jetzt also etwas länger dauern.

Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie ich zum ersten Mal von Douglas Adams hörte. Ich war neunzehn Jahre alt, leistete meinen Bundeswehrdienst ab und befand mich in meiner ersten Sinnkrise, was angesichts der Tatsache, dass ich den Kriegsdienst nicht verweigert habe, zwar ein relativ schwacher Einschub ist, aber immerhin ist es einer. Sicher war es auch eigentlich nicht meine erste Sinnkrise, wenn ich an das verlorene Tipp-Kick-Turnier mit dreizehn oder die Geschichte mit einem Mädchen Namens Emma oder so ähnlich denke, aber auf jeden Fall war sie in meiner persönlichen Sinnkrisenzeitachse relativ weit vorn. Nun muss man bedenken, dass wie in allen Armeen auch damals tendenziell Langweiler und Dummköpfe bei der Bundeswehr waren (obwohl dies vermutlich exakt der Zeitpunkt war, zu dem Deutschland am weitesten überhaupt in seiner Geschichte von kriegerischen Handlungen entfernt war), während die coolen, schlauen und entspannten Typen lieber ein paar Joints rauchten und sich nachts in die Wohnheimflure der Krankenschwestern schlichen. Jedenfalls war man in dieser Gemeinschaft in einer Situation, in der sich diejenigen, die mit so was wie einer Seele, ein bisschen Humor oder einer vernünftigen Weltanschauung ausgestattet waren, recht schnell gegenseitig erkannten. In dieser Gemeinschaft also kam eines schönen Tages jemand zu mir und sagte, er müsse mir ein Buch leihen. Das war schon etwas ungewöhnlich, denn es läuft ja sonst eher anders herum. Aber dieser Typ hatte mich sozusagen auserkoren. Es war ein gewisser Thomas Appelboom oder so, vielleicht hieß er auch Frank Apfelbom. Okay, ich kann mich doch nicht mehr so ganz genau daran erinnern. Jedenfalls unterbreitete er sein Angebot mit einer Eindringlichkeit, die mich davon überzeugte, ihn zumindest mit „Ich denk mal drüber nach, aber ich les' gerade nicht viel“ hinzuhalten, anstatt ihn einfach abblitzen zu lassen. Kurz darauf brachte er es mir einfach mit. Er bestand darauf, dass ich es lesen müsse und dass es mir außerdem besser gefallen müsse als alles andere. Nun, ich war 500 Kilometer von zu Hause, hatte Zeit und versuchte es. Aber ich kam nicht voran. Die Sätze kamen mir kompliziert und verschnörkelt vor und der Autor kam nie so recht auf den Punkt. In den folgenden Tagen und Wochen kam Kollege Olaf Appelboom immer wieder auf mich zu und fragte mit der Beharrlichkeit eines Nachbarn im Rentenalter nach. Wie es mir gefallen würde. Wann ich es endlich durch hätte. Schließlich, nach einer ganzen Weile, sagte ich ihm entschuldigend, dass ich es durchaus gut geschrieben fände, aber dass ich irgendwie nicht so recht den Kopf frei hätte und sicher noch lange brauchen werde. Er sah mich enttäuscht an und zog ab. Nach einer weiteren Weile sagte Stefan Appelboom dann mit dem Tonfall von jemandem, der einen Zettel mit einer geheimen Spartickethotline der deutschen Bahn verliehen hat, dass er das Buch nun endlich zurück haben wolle. So eindringlich war dieser Tonfall, dass ich vollkommen die uralte Regel missachtete, die besagt, dass geliehene Bücher niemals ohne Androhung körperlicher Gewalt oder die Aussicht auf Sex zurückgegeben werden, und überreichte ihm das Buch ohne weitere Verzögerung ein paar Monate später. Praktisch ungelesen. Trotzdem hatte ich das unbestimmte Gefühl, etwas verpasst zu haben. Natürlich wurde dieses Gefühl schnell von anderen unbestimmten Gefühlen, etwas verpasst zu haben überlagert, wie zum Beispiel die deutsche Einheit oder eine BVB-Meisterschaft, die von rücksichtslosen Stuttgartern in den letzten Spielminuten zerstört wurde wie eine Seifenblase, die von einem Panzer überrollt wird. Aber es ergab sich, dass ich ein weiteres Mal auf dieses Buch traf. Vier Jahre später, am Anfang einer anderen Geschichte, die mit einem Song von Nirvana endete.

In der Zwischenzeit hatte sich nicht nur Deutschland ein wenig verändert, sondern auch ich mich. Von einem unscheinbaren, zurückhaltenden Teenager, der niemals auch nur ein einziges Date hatte und der in den entscheidenden Situationen bei Frauen regelmäßig versagte, hatte ich mich zu einem wenig zurückhaltenden, passabel aussehenden Typen entwickelt, der ständig Dates hatte und in den entscheidenden Situationen bei Frauen regelmäßig versagte. Irgendwann traf ich eine geheimnisvolle, kluge Frau, bei der es mich ziemlich erwischte. In der Zeit, als wir uns so trafen und plauderten, beschloss ich, wieder zu lesen, eine Sache, die ich ziemlich vernachlässigt hatte, wenn man von ein paar Frauenbüchern absah, die ich, lasst es mich offen sagen, aus strategischen Gründen studiert hatte. Ich fragte die geheimnisvolle, kluge Frau nach einer Empfehlung. Sie empfahl mir „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kunderan. Sie empfahl es mir, weil sie es mochte. Natürlich war ich voller Enthusiasmus und hatte das Buch kaum drei Wochen später gelesen. Nach einem gemeinsam ignorierten Seminar unterhielten wir uns darüber vor einem Buchladen. Vielleicht war ich, rückblickend betrachtet, ein bisschen oberflächlich und eventuell auch ein wenig sehr selbstbewusst, was sich womöglich sogar zu einer gewissen Überheblichkeit ergänzte. Aber so was ist natürlich immer subjektiv, und sicher würde ein Angestellter der deutschen Bahn mit unbefristetem Arbeitsvertrag, der Spartickets verkauft, meine Antwort als keineswegs überheblich sondern im Gegenteil als vollkommen normal einstufen: „Also ich fand es nicht schlecht. Und die Geschichte ist ok. Aber irgendwie langweilig geschrieben. Gar keine tollen Sätze und nicht sonderlich geistreich. So ein Buch könnte ich auch selbst schreiben.“  Die Frau sah mich an und  überlegte kurz. Dann betrat sie die Buchhandlung - ich zockelte hinter ihr her - und zog ein Buch aus einem Regal. „Dann wird dir bestimmt das hier gefallen.“ Ich sah auf den Umschlag, der mir komisch und keineswegs bekannt vor kam. Dann sah ich den Titel des Buches. „Per Anhalter durch die Galaxis“. Dieser Titel kam mir sehr bekannt vor.

Ich war also zum zweiten Mal für dieses Buch ausgesucht worden. Und schon nach wenigen Seiten wusste ich, dass ich ein neues Kapitel aufgeschlagen hatte. Nun ist das normal, wenn man ein Buch liest, aber in diesem Fall war es ein Kapitel von etwas anderem. Ein Kapitel meines Geschmacks und in gewisser Weise, auch wenn das wahrscheinlich ein wenig dramatisch klingen mag (man kennt das ja aus schlechten Filmen, wenn irgendeine Szene es nicht aus sich heraus schafft, interessant zu sein und mit ein paar Trommelwirbeln und Lichteffekten gehypt wird oder aus Talkshows, wenn die wirklich saftigen Lacher eingeschoben werden) , so möchte ich sagen, dass es zugleich auch ein neues Kapitel meines Lebens war. Mehr noch, es war mindestens ein Impuls, wenn nicht sogar der Impuls, die Dinge für alle restlichen Kapitel meines Lebens in einem anderen Licht zu betrachten. Ich verstand mich selbst nicht, jedenfalls nicht diejenige Ausgabe von mir, die es ein paar Jahre zuvor geschafft hatte, dieses Buch beiseite zu legen. Douglas Adams schrieb mit einer solchen Freude, mit einem solchen Überschwang, dass es mir eine Euphoriewelle nach der anderen über Stellen meines Körpers jagte, von denen ich gar nicht wusste, dass sie für Euphoriewellen überhaupt empfänglich waren. Er wechselte die Perspektiven auf unerhörte und überraschende Art und Weise. Er spielte mit Worten und Sätzen, streute hier eine originelle Übertreibung ein und zog dort einen so überraschenden Vergleich, dass ich staunte und laut auflachte, als beobachte ich einen BVB-Stürmer aus den 80ern vor dem Tor. Er schrieb geistreich und über alle Maßen witzig. Er baute geradezu obszön irrwitzige Satzkonstrukte, die einen beim Lesen derart hinters Licht führten, wie man es ansonsten nur selbst bei der Einschätzung der eigenen Paarungsaussichten vermag. Ich versuchte, mich zu bremsen und jeden einzelnen Satz so langsam wie nur eben möglich zu lesen, damit ich länger etwas davon hätte. Da ich nicht gewillt war, das Buch aus der Hand zu legen, bedeutete dies, bis zum Morgengrauen zu lesen, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, ob es wichtig wäre, am nächsten Tag ausgeschlafen zu sein.

Und doch flog ich gemeinsam mit dem deprimierten Protagonisten Arthur Dent derart leicht und schnell durch die Geschichte, dass mir kaum ihr trauriger Unterton auffiel. Erst am Ende dieses scheinbar fröhlichen Meisterwerkes bemerkte ich, dass es von der vergeblichen Suche nach dem Sinn des Lebens und der Zerstörung der Erde erzählt hatte. Die Traurigkeit, die ich im Rückblick unter der euphorischen Fassade des begnadeten Erzählflusses bemerkte, wurde nur noch erreicht von der Traurigkeit darüber, dass ich das Buch soeben zu Ende gelesen hatte.
Ich berichtete der Frau davon, begeistert und dankbar für ihre Empfehlung. Sie selbst fand das Buch ganz okay, was mich, wenn ich ein paar Jahre älter gewesen wäre, darüber in Kenntnis gesetzt hätte, dass wir keine gemeinsame Zukunft hatten. Ich  fand mich in der Rolle eines gewissen Typen Namens Friedhelm Appelbom wieder, denn ich verstand ihren (und meinen früheren) Standpunkt ungefähr so gut wie den eines Kindes, das einen Tipp Kick Spieler aus der Hand gibt und sagt, es wolle lieber gleich mal für eine kleine Routineuntersuchung beim Zahnarzt vorbei schauen. Man musste dieses Buch lieben. Es gab auch ein paar andere Dinge, die zu müssen mir in dieser Zeit klar wurden. So zum Beispiel den Kriegsdienst zu verweigern. Das tat ich dann auch, was meiner Meinung nach ein viel besserer Einschub als eine simple Sinnkrise ist.
Eine beendete Beziehung und ein paar gute Songs von Nirvana später hatte ich alle Bücher von Douglas Adams gelesen: Die damals vier Teile der Anhaltertrilogie, von denen mir der erste und der vierte am besten gefielen und was es sonst noch von ihm gab. Außerdem fragte ich bei jedem einzelnen Besuch einer Buchhandlung nach, ob Douglas Adams nicht endlich etwas Neues geschrieben habe und wie lange es denn noch dauern würde und ob ich nicht seine Adresse haben könne, um ihn persönlich mit ein paar Beschimpfungen etwas zu motivieren. So ging es über Monate und Jahre. Leider kam viel zu wenig. Die großartigen Bücher über Dirk Gently und allen voran das das Sachbuch „Die letzten ihrer Art“, in dem seine unerreichte Fähigkeit, Traurig-Melancholisches mit geistreichem Witz zu verbinden, all ihre Dimensionen entfalten konnte. Douglas Adams viel zu frühen Tod am 11. Mai 2001 kann man natürlich nur als tragisch und einen unermesslichen, nicht auszugleichenden Verlust für die Literatur bezeichnen. Ich erspare dem Leser Anmerkungen darüber, wie zynisch und in seinem Fall doch fast ein wenig makaber-komisch es ist, dass jemand beim Fitnesstraining an einem Herzinfarkt stirbt. Tatsächlich war ich aber neben aller Traurigkeit auch ein bisschen wütend, dass Douglas Noel Adams so einfach verschwunden war, ohne noch weitere Bücher zu schreiben.

Nun ist also doch noch ein Buch erschienen. „Und übrigens noch was“ heißt es. Von einem gewissen Eoin Colfer, den ich gerne einmal persönlich befragen würde, wie man seinen Namen ausspricht. In Auftrag gegeben und ausdrücklich autorisiert von seiner Witwe (also, wie der kluge Leser ahnt, Adams', nicht Colfers Witwe) Jane Belson und mit Sicherheit auch gewünscht von Douglas Adams, der selbst mit dem fünften Band eher unglücklich war. Soweit ich weiß, übrigens mit originalen Passagen von Douglas Adams, wobei ich dies im Nachhinein nirgendwo mehr bestätigt finde. Nun. Eoin Colfer hat ein sehr gutes Buch geschrieben. Ein so gutes, dass der sechste Band für mich ein würdiger Abschluss der fünfteiligen Anhaltertrilogie geworden ist. Sicher kann er nicht die Erfindung der Anhaltergeschichte oder die Begründung eines neuen Humors für sich in Anspruch nehmen (Was Douglas Adams sehr wohl kann, denn ein eigener Humor entwickelte sich tatsächlich daraus - wobei heute leider häufig eine schlechte Variation erscheint, nämlich eine, die lediglich ein paar seiner Instrumente nutzt, ohne die dahinter liegende Tiefe zu besitzen), aber das kann er nicht können, denn dazu ist er nun einmal zu spät dran. Die Stärken jedoch, die Douglas Adams‘ Bücher hatten, finde ich wieder. Vielleicht ist es dem Echo meiner einstigen Euphorie geschuldet, aber ich finde, dass die Vergleiche, die Satzkonstruktionen, die Ideen und Perspektivenwechsel durchaus mit den denen der ersten Bände mithalten können. Die Charaktere finde ich sogar ein wenig schärfer gezeichnet, wobei ich vorab gehofft hätte, das Eoin Colfer genau das um Himmels Willen bloß unterlassen und statt dessen lieber neue entwickeln solle , um bloß nichts zu zerstören. Aber es war richtig. Er bindet sogar eine Menge loser Fäden zusammen, was einem Fan der fünf Vorgänger wehmütige Schauer über mindestens ein paar normale Stellen treibt, auch wenn man kritisieren kann, dass das Zusammenführen loser Enden nun wahrlich nicht ganz der Stil von Douglas Adams war. Ich vermute, dass er insbesondere im letzten Drittel auf sich allein gestellt war, aber vielleicht tu ich Eoin Colfer da Unrecht. Jedenfalls hat er bei mir eines geschafft: Ich habe oft laut aufgelacht, habe gesellschaftskritische Töne herausgeahnt (insbesondere religionskritische übrigens) und habe wieder bis zum Morgengrauen gelesen, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, ob es wichtig wäre, am nächsten Tag ausgeschlafen zu sein.
Benutzeravatar
TreborFaust
Administrator
 
Beiträge: 200
Registriert: So 19. Jun 2011, 04:01

Re: Literatur

Beitragvon Wilbur Morgenthau » Di 31. Jan 2012, 22:57

Hab ich ein Déjà vu? Egal, der Beitrag ist es im Kern wert, auch ein zweites mal gelesen zu werden. Recycling ist ja auch zeitgemäß.
Benutzeravatar
Wilbur Morgenthau
 
Beiträge: 27
Registriert: Sa 6. Aug 2011, 20:50

Bitte um Empfehlung

Beitragvon Mistress » Di 31. Jul 2012, 22:07

Guten Abend! Während meines bald anstehenden Urlaubs werde ich selbst kaum zum Schreiben kommen, daher benötige ich bitte eine Leseempfehlung von Euch. Ich würde gerne etwas lesen, was sich mit der Kunst, dem Handwerk des Schreibens beschäftigt, um meine theoretischen Kenntnisse auf Vordermann zu bringen. Also im Prinzip so eine Art Schreibratgeber für Anfänger ;-) Habt ihr einen Tipp für mich?
Benutzeravatar
Mistress
 
Beiträge: 82
Registriert: Mi 4. Jul 2012, 06:42

Re: Literatur

Beitragvon JanMaas » So 16. Jun 2013, 23:22

Bücher.

Der Sommer naht und was könnte es schöneres geben, als einen Haufen guter Bücher empfohlen zu bekommen und ALLE zu lesen? Nicht viel, richtig. Deswegen eine kleine Speisekarte mit Büchern für nahezu jeden Geschmack (wer Ildiko von Kúrthy im Folgenden vermisst, dem sei dringend jedes Buch der Liste ans Herz gelegt. JEDES)

Beginnen möchte ich die Liste mit einer Trilogie von Gilbert Adair. Mord auf ffolkes Manor, Ein stilvoller Mord in Elstree und Und dann gab's keinen mehr sind allesamt Kriminalromane der marpl'esken Prägung. Wundervoll nostalgisch, logisch wie sprachlich bestechend. Wer Geschichten mag, die sich um vergiftete Schauspielerinnen und 6 Tatverdächtige drehen, die kein Motiv haben, dafür allesamt eines für ein früheres, ungelöstes Verbrechen, der ist genau richtig. Großartige Machwerke, Adair ist leider 2011 verschieden, die drei Bücher waren aber ohnehin als Trilogie angelegt. -x-- -x-- -x--

Nach der Exkursion in die Welt der verschachtelten Logik erweist sich Die Stille in Prag von Jaroslav Rudis als hervorragende Ergänzung. Schöne Sprache über grunsätzliche Fragen des modernen Lebens, ohne angestrengt zu wirken. Wirklich große Kunst. Eines der Bücher, die man missionarisch verschenken kann. -x-- -x-- -x--

Große Hitze kündigt sich für die kommende Woche an, zumindest bis zur Mitte. Daher empfehle ich, sich von zwei Büchern in eine Welt von Schnee und Kälte entführen zu lassen. Stadt der Diebe von David Benioff und Winter in Maine von Gerard Donovan. Unterschiedlichste Settings, unterschiedlichste Handlung und doch saugen einen Beide Bücher in die Handlung, lassen großartige Sprache Bilder hervorzaubern. Gerade Benioff ist dahingehend begnadet und schafft mit seiner Geschichte Komik, Tragik und Spannung perfekt zu dosieren. Donovan zaubert aus einem minimalistischen Hintergrund eine dramatische Geschichte um Rache, Schnee und Bücher. Und einen toten Hund. -x-- -x-- -x-- & -x-- -x-- -x--

Das Max Barry mit seinem Maschinenmann nicht als finale Empfehlung auf die Liste kommt, ist in erster Linie dem dort rangierenden Titel geschuldet. Nichtsdestotrotz ist Maschinenmann ein gutes Buch über autofrankenstein'sche Überschätzung und die Aufweichung jeglicher Grenzen. Ein Buch über Selbstaufgabe und das genaue Gegenteil. Es fällt in seiner guten Klasse ein wenig hinter die anderen Empfelungen zurück, daher nur -x-- -x-- 1/2 -x-- .

Damit ist die Bühne für das gloriose Ende der Liste bereitet. Die Kartongeschichte von Helmut Krausser ist einfach alles, was man von einem Buch erwarten kann und doch nicht tut. Nur 139 Seiten, die aber mit einer Sprache bestechen, eine Handlung entwickeln, mit wenigen Worten alles und vieles mehr erzählen. skurile Einfälle gehen Hand in Hand mit einer immanenten Logik und einem großartigen Stil. Ich wehre mich immer gegen Testimonials auf Buchrücken, aber wenn Daniel Kehlmann ein "Das ist so wunderbar! Witzig, geistreich und petologisch hochkomplex. ein kleines, perfekt abgerundetes Meisterwerk!" zugeschrieben wird, kann ich mich nur anschließen. Es ist eines der Bücher, die man in die Hand nimmt und zwei Stunden später erschreckt feststellt, dass die letzte Seite ein Erlebnis sondergleichen beschließt.
Um auch nur ansatzweise ein Verständis dafür zu schaffen, weshalb die 7€ für dieses Buch unfassbar gut angelegt sind, anbei zwei Sätze des ersten Kapitels.

"Augusta kam grob versehentlich zur Welt, als Folge eines verzweifelten Geschlechtsverkehrs, während im Kofferradio Hindemith lief. Der Vater verließ ihretwegen die Mutter, die Mutter hatte noch lange nicht genug gelebt, hinterließ die Tochter bei Englischen Fräulein, die gaben ihr den Namen des aktuellen Monats, das alles ließe sich liebevoller erzählen"

Auch die anderen Machwerke von Krausser seien ein J E D E M ans Herz gelegt.
Es kann für dieses Buch jedenfalls nur eine Wertungsempfehlung geben: -x-- -x-- -x-- -x-- bis -x-- -x-- -x-- -x-- -x--


Ich für meinen Teil lese im Übrigen gerade Das Mädchen, dass den Himmel berührte von Luca die Fulvio. Da ich erst bei der Hälfte bin, gebe ich nur eine vorläufige Empfehlung ab: Es lohnt sich bisher.


So.
Ahoi und viel Spaß mit all diesen Büchern!
JanMaas
 
Beiträge: 50
Registriert: Fr 24. Jun 2011, 21:29

Re: Literatur

Beitragvon Marina » Di 1. Jul 2014, 22:20

Hier eine äußerst dringliche Empfehlung:

Das Tier - von Walter Moers

... und zwar wegen des Beginns:

"Hoch über einem finst'ren Forst
Hauste ein Tier in seinem Horst.
Das spielte trefflich Unophon:
Ein Instrument mit einem Ton."

Ich glaube, er schrieb es in Antizipation des fulminanten Aufstiegs eines preisgekrönten hallenser Autoren...
Marina
 
Beiträge: 30
Registriert: Mo 2. Jul 2012, 20:05

Re: Literatur

Beitragvon Forst » Mi 2. Jul 2014, 23:25

Hihi
Benutzeravatar
Forst
 
Beiträge: 38
Registriert: Mi 25. Apr 2012, 20:13

Re: Literatur

Beitragvon Mistress » Do 3. Jul 2014, 14:15

Wir brauchen einen Like-Button! Oder ein Herz! Oder whatever!
Ich bin ganz verstört, dass ich das hier nicht kann :och
Marina: yeah! :yeah
Benutzeravatar
Mistress
 
Beiträge: 82
Registriert: Mi 4. Jul 2012, 06:42

Süßholzhonig

Beitragvon TreborFaust » Mo 8. Feb 2016, 23:15

Ich bin zurück. Die Versenkung spuckte mich aus, nachdem sie auf mir eine Weile gekaut hatte, nur ob ich zu fad war oder, naja, vielleicht zu scharf, darüber möchte ich nicht spekulieren.

Dem Maasschen Jan sei Recht gegeben. Ich meine, auf seine ureigene Empfehlung hätte ich vor Längerem bereits Mord auf ffolkes Manor gelesen, und zwar auf Englisch. Und tatsächlich war das ein wirklich lustiges, geistreiches, ein bisschen spannendes Buch. Nun, da ich höre, dass es eine Trilogie ist, werde ich nachlegen. Es kriegt von mir
-x-- -x-- -x--

Just um die Zeit der anmaasenden Rezension, wenngleich in Unkenntnis selbiger, erstand ich den Maschinenmann, ohne ihn aber bereits gelesen zu haben, daher erwähne ich nur die lustige Koinzidenz, ohne bereits eine richtige Antwort oder gar Replik zu geben, aber wer erwartet solches schon nach gerade einmal zweieinhalb Jährchen? Seht ihr.

Und jetzt mache ich mich unbeliebt. Mit ein paar Worten zu
Der Meister und Margarita (Bulgakow)
Meine Güte, was hat dieses Buch gut angefangen und meine Güte - was habe ich mich hinterher hindurch quälen müssen. Ich hatte vorher keine Rezension gelesen, aber nur Gutes gehört. Ich meine, sogar den Rob darüber herzlich schwadronieren gehört zu haben, freilich mit einer liebreizenden Frau, die sich als Freundin dieses Werkes zu erkennen gab, was womöglich das Robsche Urteil ein wenig euphorisierte, weil sowohl Frau als auch Buch in seiner Phantasie sicherlich befruchtet wurden, voneinander natürlich, denn wenn es ein herausragendes Buch war, so war es eine intellektuelle Schöne, und wenn es eine intellektuelle Schöne war, so musste dieses Buch etwas Besonderes sein. Und somit hatten Rob und sie eine gemeinsame Erkenntnis über etwas Besonderes - und wer würde solches nicht wollen? Oder interpretiere ich zu viel? Heiße ich den guten Rob einen elenden Schleimbeutel, obwohl er mitnichten je seine Wahrhaftigkeit mit dem süßen Honig des, ähm, Süßholzes trüben würde?

Also schön. Bulgakow schreibt eine phantastische, verschachtelte, geistreiche Geschichte im Moskau der 1930er Jahre. Klingt toll, nicht wahr? Und ja, Bulgakow hat viele gute Ideen, ja, es ist eine interessante Kulisse. Leider zerstört Bulgakow einige Ideen dadurch, dass er sie allzusehr ausreizt, ausbreitet, in die Länge zieht, verschnörkelt, erklärt, zerkaut, ihr versteht, was ich meine. Der Stil ist manchmal sehr geistreich und wortwitzig. Leider auch hier ein Aber: Häufig ist dieser geistreiche Stil offenbar zu sehr um seiner selbst willen ausgereizt. Und ein Wortwitz, der nicht lässig daherkommt, was er manchmal leider nicht tut, der ist eher anstrengend als anregend. Auch ist das Moment der Überraschung einfach zu übertrieben. Wenn einmal ein Kater spricht, wenn einmal eine Protagonistin auf einem Besen fliegt, dann weiß man, dass für alle alles möglich ist und wenn alles möglich ist, so ist die Realität zwangsweise entmachtet. Und damit leider etwas uninteressant. Offen gesagt, finde ich nicht einmal die Erzählperspektive in Summe besonders klug: Sie schwankt zwischen aktorialer und personaler Erzählsituation. Leider schafft Bulgakow dabei weder, den Figuren Tiefe zu geben, noch eine saubere Außenbetrachtung, mit der mehr Spannung oder Überraschung möglich wäre.

Wirklich gut ist für mich eine Geschichte in der Geschichte, nämlich, ohne zu viel zu verraten, die über Pontius Pilatus. Da fasziniert das Buch mit Sachlichkeit, wo man Wunderbares erwartet. Sowohl Jesus als auch Pilatus sind genial gezeichnet und die Dialoge sind tiefgängig und überaus spannend. Ach, drehte es sich doch nur mehr um diese Einschübe, ich zelebrierte den Meister und Margarita!

Irgendwie ist es für mich ein Buch, das sich vermutlich niemand schlecht zu finden traut. Und das ist es auch nicht. Aber ich habe auf einer kommerziellen Plattform die Rezensionen gesehen und genau das gefunden, was ich erwartet hatte: Ausschweifiges scheint viele Menschen zu beeindrucken und eine zur Schau gestellte Phantasie, die aber wenig mitreißt scheint Leuten einen gezogenen Hut abzunötigen. Ich kann's mir nicht anders erklären, denn es ist für mich insgesamt nicht außerordentlich spannend und eher etwas zu phantastisch.

Es mag an der Übersetzung gelegen haben. Leider taugt mein Russisch nicht für eine Originalstudie, so dass ich mir ein Urteil über das Buch ausdrücklich nur als Urteil seiner Übersetzung anmaßen möchte. In Summe dafür und auch, wenn man mich des Frevels bezichtigen mag: -x-- -x--
Benutzeravatar
TreborFaust
Administrator
 
Beiträge: 200
Registriert: So 19. Jun 2011, 04:01

Re: Literatur

Beitragvon xaraastriel » So 17. Mär 2024, 17:07

xaraastriel
 
Beiträge: 7098
Registriert: Mo 11. Mär 2024, 09:31


Zurück zu Guter Rat

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast

cron